Beschreibung der prosodisch etikettierten Daten
Für die prosodische Etikettierung wurde eine erweiterte Variante des
GToBI-Systems verwendet. Die Etikettierung umfaßt drei Ebenen
- Akzentuierung (ACC)
- Phrasengrenzen (BRE)
- Intonation (TON)
Akzentuierung
Bei der Akzentuierung werden Prominenzverhältnisse etikettiert. Diese
Verhältnisse entsprechen der (subjektiven) auditiven Wahrnehmung des
Transkribenten. Das folgende Inventar wird dabei verwendet:
- PA (Primärakzent)
- Innerhalb einer Intonationsphrase (zwischen zwei B3, s.u.) erhält das
prominenteste Wort den Primärakzent. Sind mehrere Akzente gleich stark,
kann es auch mehrere Primärakzente geben.
- NA (Nebenakzent)
- Weitere, weniger prominente akzentuierte Wörter werden als
Nebenakzent etikettiert.
- EK (Emphase/Kontrast)
- Ist der Primärakzent besonders hervorgehoben, wird er als EK
etikettiert. Zu beachten ist, daß dieses Etikett nicht mit den
linguistischen Einheiten Emphase oder Kontrast deckungsgleich ist.
Vergleichskontext ist jeweils die Intonationsphrase.
Phrasengrenzen
Phrasengrenzen werden jeweils an der rechten Grenze der Intonationsphrase
etikettiert. Unterschieden werden zwei verschieden starke Einschnitte.
Entscheidend ist dabei wieder die Wahrnehmung des Transkribenten, die
Etikettierung ist nicht fest an akustische Ereignisse wie Pause o.ä.
gebunden. Das Inventar entspricht dem GToBI-Standard, jedoch wurde die
Benennung der Etiketten verändert:
- B1 (normale Wortgrenze)
- Normale, nicht prosodisch markierte Wortgrenzen erhalten als Default das
Etikett B1. Dies wird üblicherweise nicht explizit vergeben, allenfalls
bei automatisch erzeugten Transkriptionen kann B1 vorkommen.
- B2 (intermediäre Phrasengrenze)
- Eine intermediäre Phrasengrenze ist eine schwache Grenzmarkierung
innerhalb einer Intonationsphrase. Sie ist typischerweise nur durch eine
schwache intonatorische Markierung gekennzeichnet. Auf der tonalen Ebene
werden B2 durch einen Phrasenton (L- bzw. H-) etikettiert.
- B3 (Intonationsphrasengrenze)
- Diese Grenze beschreibt das Ende einer Intonationphrase. Sie ist
typischerweise durch Merkmale wie Pause, Dehnung, intonatorische Markierung,
Wechsel des Sprechtempos o.ä. gekennzeichnet. Auf der tonalen Ebene
werden B3 durch einen Phrasenton und einen Grenzton markiert.
- B9 (irreguläre Grenze)
- Stellen, an denen der normale Redefluß gestört ist, also
Häsitationen, Abbrüche etc., werden als irreguläre Grenzen
markiert.
Die Etiketten für die Phrasengrenzen sind eindeutig in die
Standardetiketten für GToBI überführbar:
Überführung der Phrasengrenzen von Verbmobil nach
GToBI
Verbmobil
| GToBI
|
B1
| B1
|
B2
| B3
|
B3
| B4
|
B9
| B2
|
Intonation
Die Intonationsetikettierung folgt dem GToBI-Standardsystem für
Deutsch, das in den Verbmobil-Reports 154
und 155
beschrieben ist. Die Intonationsbeschreibung basiert auf dem Tonsequenzansatz
und beschreibt die Intonationskontur durch eine Folge von Tonakzenten und
Randtönen. Das in GToBI verwendete Inventar für die
Tonakzente ist das folgende:
- H*
- Dies ist der "normale" Gipfelakzent, bei dem die Tonhöhe nach oben
abweicht. Folgen zwei oder mehr H* aufeinander, so bleibt die Tonhöhe
zwischen diesen hoch oder sinkt leicht ein. Dadurch ergibt sich das
charakteristische Hutmuster.
- L+H*
- Bei diesem Akzent findet innerhalb der akzentuierten Silbe ein steiler
Anstieg statt. Der Gipfel wird erst spät in der Silbe erreicht. Oft ist
der Stimmumfang erweitert.
- L*
- Dies ist der Talakzent, der sich durch Abweichung der Tonhöhe nach
unten auszeichnet und/oder eine tiefe Stimmlage auszeichnet.
Üblicherweise liegt der Tiefpunkt der Tonbewegung etwa in der Mitte des
Vokals.
- L*+H
- Hier wird innerhalb der akzentuierten Silbe ein Tiefpunkt erreicht.
Spät in der akzentuierten Silbe findet ein Anstieg statt, der auf der
folgenden Silbe (manchmal auch später) seinen Gipfel erreicht.
- H+L*
- Bei diesem Akzent ist die akzentuierte Silbe tief, die vorhergehende Silbe
hoch. Tonhöhensprung in tiefe Stimmlage.
- H+!H*
- Bei diesem Akzent fällt die Tonhöhe innerhalb der akzentuierten
Silbe
- H*?
- Dies ist ein nur schwach intonatorisch markierter Akzent. Er wird
hauptsächlich durch Dehnung oder Druck markiert.
Bei den Randtönen wird zwischen B2 und B3 unterschieden. B2 erhalten
nur einen Phrasenton, B3 erhalten einen Phrasenton und zusätzlich einen
Grenzton. Für B2 kommen die folgenden tonalen Etiketten in Frage:
- H-
- Nach einem H*, L+H*, L*+H, H+!H* Akzent bleibt die Tonhöhe auf dem
Niveau des H Tones oder etwas darüber, nach L* führt H- zu einer
Steigung.
- L-
- Diese Markierung stellt einen linearen Fall in Richtung der
Deklinationslinie dar.
An B3 wird das folgende Inventar verwendet:
- L-L%
- Dies ist eine tiefe Grenze, ähnlich L- an B2. Die Stimmlage erreicht
die unterer Grenze des Stimmumfangs. Funktional kann man von "terminaler"
Grenze sprechen.
- L-H%
- Nach H*, L+H*, H+!H*, L*+H beschreibt L-H% eine fallend-steigende
Bewegung. Nach L* beginnt auf der letzten Silbe ein leichter Anstieg.
- H-L%
- Hier bleibt die Kontur etwa auf dem Niveau des letzten H Akzenttons,
ähnlich wie bei H-. Eventuell kann auch zum Ende der letzten Silbe hin
schon ein leichter Fall in die folgende Intonationsphrase erfolgen. Funktional
wäre dies eine "progrediente" Intonation.
- H-H%
- Nach hohen Akzenten (s.o.) bleibt die Intonation hoch und steigt auf der
letzten Silbe in den oberen Bereich des Stimmumfangs an. Nach L* findet der
Anstieg gleich nach der akzentuierten Silbe statt.
Bei allen H Tönen kann Downstepping stattfinden.
Dabei werden in einer Folge von Akzenten die H Töne abgestuft und bilden
so eine absteigende Treppe. Downstepping wird diakritisch mit `!' markiert.
Bei den Tonakzenten kann Downstepping bei !H*, L+!H*, L*+!H auftreten. Auch
bei Phrasenakzenten kann Downstepping markiert werden:
- !H-L%/H-
- Stilisierte (stereotype) Äußerungen ("calling contour")
- !H-H%
- Etwas nach unten versetzter Phrasenton, aber nicht so stark wie L-H%
Die Beschreibung der GToBI-Etiketten ist aus der von Martine Grice und Ralf Benzmüller
verfaßten Anleitung zur Etikettierung übernommen. Weitere
Informationen über GToBI gibt es auf der GToBI-Homepage
in Saarbrücken.
Diese Seite wurde von Matthias Reyelt und Anton
Batliner verfaßt.