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Sprachforschung
Do you speak Globish?
© Central Press
Die Queen bei ihrer Weihnachtsrede 1977 - mittlerweile hat sich der Ton geändert
Alle
Jahre wieder - redet die Queen im Fernsehen. Doch die Weihnachtsrede
ist nicht immer dieselbe. Zum einen wegen des sich stetig ändernden
Alltags, zum anderen weil die Sprache der Queen gewissermaßen
"verkommt". Es gibt nicht viele Leute auf der Welt,
die in ihrem Leben mehr Weihnachtsansprachen gehalten haben als die
Queen. Einige Pfarrer vielleicht, und womöglich auch das eine oder
andere Familienoberhaupt. Seit mehr als einem halben Jahrhundert wendet
sich Königin Elizabeth II. nun schon zu Weihnachten an ihre Nation. Der
erste Feiertag ohne die "Queen's Speech" um 15.00 Uhr - das wäre für
die Briten, als ob sie zum Fest auf Truthahn oder Christmas Pudding
verzichten müssten.
Schluß mit dem Snobbismus
Die gute alte Tradition der Festansprachen hat sich jetzt die
Wissenschaft zu Nutze gemacht. Der Münchner Professor Jonathan
Harrington besorgte sich bei der BBC alle Weihnachtsreden seit 1952 und
verglich die Bänder miteinander. Ergebnis: Die Queen spricht längst
nicht mehr so etepetete wie früher. In ihr "Queen's English" hat sich
ein anderer Ton eingeschlichen - das "Estuary English"
("Mündungsenglisch"), das auch in der britischen Mittelklasse weit
verbreitet ist.
"Die Queen betont Vokale heute ganz anders", sagt der 48-jährige
Engländer, der eine Phonetik-Professur an der Münchner Ludwig-
Maximilians-Universität innehat. In der ersten Ansprache 1952 beendete
sie ihre Rede zum Beispiel noch mit "Happay Christmas". Heute sagt sie
"happee". Die "dutay" ("duty", die Pflicht) ist nun die "dutee". Und
auch das "home", das Heim, spricht sie heutzutage aus wie die meisten
anderen Engländer - und nicht mehr "hame" wie früher.
Klassenlose Gesellschaft fördert die Sprache
Der Name "Mündungsenglisch" kommt daher, dass im Mündungsgebiet der
Themse schon lange so gesprochen wird. Inzwischen reden viele so, zum
Beispiel die meisten Sprecher der BBC und auch Premier Tony Blair, der
eigentlich aus Schottland kommt. "Und auch die Queen hat sich einiges
davon zu Eigen gemacht", sagt Harrington. "Früher wäre das undenkbar
gewesen. Aber das hat damit zu tun, dass die Unterschiede zwischen den
sozialen Klassen heute nicht mehr so ausgeprägt sind."
Und vielleicht auch mit dem Fernsehen: Bekannt ist, dass die Königin
ganz gern die eine oder andere Vorabend-Serie einschaltet, wo nicht
unbedingt so gesprochen wird wie in Adelskreisen üblich. Auch dies, so
fand der Professor heraus, färbt auf die eigene Klangfarbe ab. Aber
letztlich vollzieht die Queen - in minderem Umfang - nur nach, was
viele ihrer Untertanen schon hinter sich haben.
Vor
allem in London wird heutzutage ein ganz anderes Englisch gesprochen
als vor einigen Jahren. Angst wegen fehlender Vokabeln muss hier kaum
noch jemand haben. Auf den Straßen der 7,5-Millionen- Einwohner-Stadt
mit ihren vielen Einwanderern hat sich ein Einfach- Englisch
eingebürgert, mit dem die Putzfrau aus Polen ebenso zurecht kommt wie
der U-Bahn-Fahrer aus Pakistan und der deutsche Tourist.
© Fiona Hanson/DPA
Manche Dinge verändern sich nie - der Christbaum gehört auch bei den Royals zum Weihnachtsfest dazu
Simply Globish
Die Sprachforscher haben dafür auch schon einen Namen: "Globish" - eine
Art Global-Englisch für alle, deren Muttersprache eine andere ist - mit
schlichtem Satzbau und um die 1500 Vokabeln. In der Vermutung, dass
einem solchen Englisch die Zukunft gehört, hat auch der British Council
ein "World English Project" gestartet. Viele Briten klagen darüber,
dass ihre Sprache verkommt. Aber daran werden sie sich wohl gewöhnen
müssen.
Sogar
bei der diesjährigen Weihnachtsansprache werden sie einen anderen Klang
zu hören bekommen. Zwar nicht bei der Queen-Rede um 15.00 Uhr in der
BBC, aber bei der Alternativ-Ansprache, die der große Privatsender
Channel 4 zeitgleich ausstrahlen wird. Die wird in diesem Jahr von der
muslimischen Einwanderin Khadija Ravat gehalten, die aus Simbabwe
stammt. Was auch immer die 33 Jahre alte Lehrerin sagen wird: "Queen's
English" wird es nicht sein.
DPA
Artikel vom 18. Dezember 2006
Artikel-URL:
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